Regressforderungen abwehren

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Auto und Richterhammer aus Holz gegenübergestellt auf einem Holztisch
Bildquelle: adobe stock https://stock.adobe.com/de/search?k=regress&asset_id=1108957687

Die Rechtsprechung zum Ersatz von Mietwagenkosten ist gefestigt und ausgefeilt, s. Urteil vom LG Braunschweig. Fällt das eigene Fahrzeug infolge eines unverschuldeten Unfalls aus, kann der Geschädigte für die Dauer der Reparatur zwischen Nutzungsausfallentschädigung und Mietwagen wählen. Entscheidet er sich für einen Mietwagen, muss der Versicherer des Unfallverursachers die Kosten erstatten.

Weitgehend unbekannt ist, dass der Geschädigte, der sich für die Nutzungsausfallentschädigung entscheidet, immer noch die Möglichkeit hat, einen günstigen Mietwagen zu nehmen. Dieser wird dann allerdings nicht vom Versicherer des Unfallgegners, sondern aus dem Budget der Nutzungsausfallentschädigung bezahlt. Außerdem kann es dann je nach Regulierungsgeschwindigkeit des Versicherers vorkommen, dass die Kosten für den Mietwagen vorgestreckt werden müssen. Für Werkstätten kann das Modell aber durchaus interessant sein.

Werkstattrisiko der Versicherer

Die Schadenminderungspflicht gilt für Reparatur und Mietwagen gleichermaßen. Für gutgläubige Geschädigte oder professionell arbeitende Werkstätten besteht jedoch keine Gefahr. Denn da das Werkstattrisiko in der Sphäre des Versicherers liegt, hat dieser für die Folgen unverschuldeter Verzögerungen, z. B. bei nicht sofort verfügbaren Ersatzteilen, einzustehen.

Hierzu gehören auch die Kosten für eine längere Inanspruchnahme des Mietwagens (OLG Düsseldorf und AG Paderborn). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Mietzeit aufgrund von Wochenenden, Feiertagen, Ferien oder offensichtlich erhöhtem Urlaubsaufkommen verlängert (z. B. LG Schweinfurt, und LG Hannover). Das macht auch Sinn. Es wäre realitätsfremd, von Reparaturbetrieben zu verlangen, ab Mittwoch nur noch Kurzreparaturen und ab Freitag nur noch Tagesreparaturen anzubieten, damit Geschädigte ihrer Schadenminderungspflicht nachkommen und Versicherer Kosten sparen können (AG Geestland).

Werkstattrisiko ist kein Selbstbedienungsladen

Das bedeutet aber nicht, dass sich Werkstätten zurücklehnen und nach dem Motto „der Versicherer zahlt schon“ reparieren können, was das Zeug hält. Das Werkstattrisiko entlastet lediglich den Geschädigten, der mangels eigener Sachkunde auf die Kompetenz des Sachverständigen und der Werkstatt vertraut. Damit ist er aber nicht unbedingt aus dem Schneider. Denn da nicht der Versicherer, sondern der Geschädigte Auftraggeber ist, richtet sich die Abwicklung nicht nach Schadens-, sondern nach Werkvertragsrecht. Wird der Auftrag nach Gutachten erteilt und sind die Schritte für die Durchführung der Reparatur vorgegeben, sind auch Prüfberichte in der Regel bedeutungslos. Anderes kann gelten, wenn die Werkstatt einen nicht erforderlichen Mehraufwand erkennt, aber dennoch keine Rücksprache mit dem Sachverständigen hält. Individuelle Wünsche des Geschädigten, der sich im Zweifel nicht daran erinnern kann, nicht notwendige Arbeiten in Auftrag gegeben zu haben, sind ebenfalls gefährlich. Der Regress trifft dann die Werkstatt. Wählerische Geschädigte sind daher nicht nur darauf hinzuweisen, dass der Versicherer ihre Wünsche möglicherweise nicht bezahlt, sondern dies ist auch zu dokumentieren.

Regress droht bei Mietwagenkosten

In letzter Zeit werden immer mehr Fälle bekannt, in denen Versicherer wegen angeblich überhöhter Mietwagenkosten Regress nehmen wollen. Sie behaupten dann gerne ins Blaue hinein, die Reparatur hätte schneller durchgeführt werden können. Ob Teile erst bestellt und geliefert werden mussten, die Reparaturarbeiten wegen voller Auftragsbücher erst später beginnen konnten oder die Werkstatt urlaubs- oder krankheitsbedingt unterbesetzt war, ist den Versicherern regelmäßig egal. Dies gilt auch dann, wenn Verzögerungen darauf zurückzuführen sind, dass sich ursprünglich geplante Maßnahmen als nicht zielführend erwiesen haben, weshalb Nachbesichtigungen und Rücksprachen mit dem Sachverständigen erforderlich wurden. Da die Versicherer aber regelmäßig nur der – nach ihren Vorgaben erstellte – Prüfbericht interessiert, lauern hier ernsthafte Gefahren.

Wer schreibt, der bleibt

Versicherer, die sich etwaige Ansprüche vom Geschädigten haben abtreten lassen, werden allerdings ins Leere laufen, wenn die Werkstatt in Vorleistung getreten ist und z. B. durch eine saubere Prozessdokumentation, etwa in Form eines Reparaturablaufplans, nachweisen kann, dass die Gründe für die Verzögerung in der Sache selbst lagen. Denn vergleichbar dem Regress wegen angeblich überhöhter Reparaturkosten hat der Versicherer nur Chancen, wenn die Notwendigkeit der Reparaturdauer nicht nachgewiesen werden kann. Mit einer sauberen Dokumentation und ggf. Zeugenaussagen sollte das aber kein Problem sein. Die Abwehr etwaiger Regressforderungen sollte die Werkstatt aber nicht selbst versuchen, sondern besser einem Anwalt überlassen.

Autor:
RA Stephan Schmid
Niederlassungsleiter Hannover
Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht
Kanzlei Voigt Rechtsanwalts GmbH
Oldenburger Allee 18
30659 Hannover
Telefon: 0511 545 237 20
Mail: hannover@kanzlei-voigt.de
Internet: www.kanzlei-voigt.de
Quellenangaben:
LG Braunschweig, Urteil vom 28.8.2024 (9 O 1413/22)
OLG Düsseldorf, Az. I-1 U 77/20
AG Paderborn, Az. 50 C 169/149)
LG Schweinfurt, Urteil vom 20.03.2023, Az. 23 O 846/22
LG Hannover, Urteil vom. 12.06.2019, Az. 7 S 33/18
AG Geestland, Urteil vom 29.07.2022, Az. 3 C 167/22

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