Werkstattrecht: Berechtigte Positionen, die oft zu Unrecht verweigert werden

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Bildquelle: Pixabay

Probefahrt-, Reinigungs- und Verbringungskosten haben mindestens eine Gemeinsamkeit: Wenn es um die Kostenerstattung geht, behaupten Versicherer gerne, die Maßnahme sei entweder gar nicht erforderlich gewesen oder bereits in den Gemeinkosten enthalten. Die Prüfberichte, die nach den Vorgaben der beauftragenden Versicherer erstellt werden, sollen dabei unterstützen.

Auch Kleinteile oder die Kosten der Kalibrierung von Fahrerassistenzsystemen werden gerne moniert. Dabei sind sie für eine fachgerechte Reparatur erforderlich und verursachen der Werkstatt Aufwand und Kosten. Verweigert der Versicherer die Erstattung, sind Stress mit dem Kunden und Gerichtsverfahren regelmäßig vorprogrammiert. Wenn dann die Gerichte entscheiden, unterliegt oftmals der Versicherer, so wie in den hier zugrundeliegenden Verfahren (AG Leipzig, v. 24.04.2025 – 110 C 280/25 und AG Stade, v. 17.03.2025 – 66 C 100/25).

Probefahrtkosten sind keine Gemeinkosten

Die Gerichte stellten klar: Die Kosten einer Probefahrt sind vollständig zu erstatten. Denn anders als Versicherer gerne behaupten, zählen sie weder per se zu den Gemeinkosten noch dienen sie lediglich dem Schutz der Werkstatt vor möglichen Regressansprüchen des Kunden.

Probefahrten sind Bestandteil der Reparatur

Probefahrten sind nicht nur theoretisch Bestandteil der Reparatur. Indem sie der finalen Beurteilung des Fahrzeugs vor der Übergabe an den Kunden dienen, sind sie quasi ihr Abschluss. Dabei binden sie Personal und verursachen – erstattungspflichtigen – Aufwand. Denn der Erfolg einer Reparatur kann sich erst bei bestimmungsgemäßer Benutzung des reparierten Fahrzeugs zeigen.

Unmissverständlich heißt es daher in einem Urteil des OLG Naumburg vom 08.11.2018, Az. 3 U 37/18: „…, dass diese Kosten in Anbetracht des Umfangs der durchzuführenden Karosserie- und Lackiererarbeiten nicht angefallen wären, entbehrt nicht nur jeder Substanz, sondern auch jeglicher natürlichen Vorstellung von Karosserie- und Lackierarbeiten.“ Etliche andere Gerichte sehen das genauso.

…insbesondere, wenn das Gutachten sie vorgibt.

Das AG Leipzig gehört dazu (vgl. Urt. v. 24.04.2025, Az. 110 C 280/25). Ist eine Werkstatt beauftragt worden, „nach Gutachten“ zu reparieren, und enthält explizit eine Vorgabe der Prüfung während der Probefahrt mit einem nachvollziehbar kalkulierten Aufwand, kann kein Anhaltspunkt dafür bestehen, dass die Angaben im Gutachten zweifelhaft sind. Beim Regress hat der Versicherer dann schlechte Karten.

Die Reinigung ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Übergabe

Abgesehen davon wird wohl kaum ein Versicherer bestreiten, dass reparierte Fahrzeuge den Kunden in technisch und optisch einwandfreiem Zustand zu übergeben sind und dass – speziell nach staubintensiven Reparaturen an Karosserie und Lack – eine Innen- oder Außenreinigung notwendig ist. Die Gerichte erkennen daher zunehmend auch die Reinigung als ersatzfähigen Aufwand an.

Streit um Centbeträge bei Materialkosten für Kleinteile

Ein weiterer beliebter Streitpunkt sind die Kosten für Kleinteile wie z. B. Schrauben, Clips, Dichtungen oder Kabelbinder. Auch hier behaupten Versicherer gerne, diese seien bereits in den Gemeinkosten enthalten. Allerdings sind auch Kleinteile verbrauchtes Material und können der konkreten Reparatur direkt zugeordnet werden. Allerdings sind sie – wie z. B. Spray – mitunter nur schwer genau abrechenbar. Die gesonderte Abrechnung an sich ist aber durchaus gerechtfertigt. Ob dies pauschal oder aufgeschlüsselt erfolgt, ist Sache der Werkstatt. Bei einer schlüssigen Kalkulation sollte es vor Gericht indes keine Probleme geben.

Kalibrierungskosten sind technisch notwendig – und damit zu erstatten

Es ist kein Geheimnis, dass Fahrerassistenzsysteme (z. B. Spurhalteassistent, Abstandssensoren, Kamerasysteme) nach einem Austausch von Windschutzscheiben, Stoßfängern oder Sensorträgern mitunter aufwendig kalibriert und angelernt werden müssen. Dies dient der Wiederherstellung der Verkehrssicherheit und ist somit zwingend notwendig. Es wäre widersinnig und gefährlich, die damit verbundenen Kosten als Spaßpositionen zu bewerten und nicht erstatten zu wollen.

Fazit

In der Vergangenheit sind Versicherer beim Geschädigten oft gescheitert. Sie haben daher ihre Taktik geändert und zahlen die Entschädigung zunehmend vollständig aus. Im Gegenzug lassen sie sich dann mögliche Ansprüche des Geschädigten gegenüber der Werkstatt abtreten, um anschließend dort zu regressieren. Bei unberechtigt oder überzogen abgerechneten Positionen ist das auch in Ordnung. Bei Reinigungskosten, Verbringungskosten, Kalibrierungskosten, Materialkosten, den Kosten einer Probefahrt oder denen für das Auslesen des Fehlerspeichers jedoch nicht.

Aber auch hier gilt: Wer nachvollziehbar dokumentiert und angemessen kalkuliert, ist gut geschützt. Sollte ein Versicherer aber dennoch einen Regressversuch starten, hilft der Weg zum Anwalt.

Autor: Dr. Wolf-Henning Hammer
https://epaper.freiewerkstatt.digital/p/werkstattrecht/01-06-25/r/1/1/8179/1954043

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